Ein ungehöriger Name

Mein Name ist Fatbardh Kqiku, ich bin 21 Jahre alt und studiere seit letztem Jahr Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin. Höchstwahrscheinlich haben einige von euch, als sie meinen Namen gelesen haben, ihn entweder übersprungen oder es irgendwann einfach aufgegeben, ihn aussprechen zu wollen. Das ist auch gar nicht so verwunderlich. Vielmehr gibt es doch Auskunft darüber, dass mein Name einigen vielleicht nicht so ganz gehörig ist, à la „der kommt doch bestimmt nicht aus Deutschland“ (kleiner Tipp: wie mein Name ausgesprochen wird, kann annäherungsweise mit dem Google-Translator rausgefunden werden). Geboren bin ich in Augsburg. Das ist, wie einige wissen, in Süddeutschland. Meine Eltern kommen aus dem Kosovo und sind 1995 aufgrund der dort herrschenden Unruhen und politischer Verfolgung in den Westen geflohen.

 

Der Autor Fatbardh unkenntlich als schwarze Silhouette, auf den täglich Stigmata und Alltagsrassismus projiziert werden
Der Autor Fatbardh mit gut sichtbarem Migrationshintergrund

 

Bin ich jetzt Ausländer?

Ich habe schwarzes Haar, und olivfarbene, nicht ganz so helle Haut. Im Sommer werde ich dunkler als vergleichsweise einige meiner weißen Freund*innen. Auch mein Bartwuchs war bereits mit 17 sehr fortgeschritten. Aber warum erzähle ich euch das? Nun, mein äußeres Erscheinungsbild löst anscheinend in bestimmten Situationen bestimmte Gefühle bei den Menschen aus. Es sind diese Gefühle, die zum Beispiel entscheiden, wieso ich beim Zoll kontrolliert werde und die augenscheinlich weiße, deutsche Frau neben mir nicht. Ich frage mich, welchen Grund es hat, dass sich ein weißer Deutscher neben mir in der U-Bahn wegsetzt, wenn ich zusteige. Liegt es daran, dass ich schlecht rieche oder liegt es daran, dass der Mann neben mir denkt, dass alles in die Luft geht, wenn ich meinen Gürtel befestigen möchte?

Wenn ich solche Erlebnisse meinen weißen, deutschen Freund*innen schildere, reagieren viele mit verharmlosenden Aussagen wie: „Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen!“, oder „Ach, der Mann musste bestimmt einfach gleich aussteigen.“ oder „Vielleicht bist du einfach ein bisschen paranoid“. Meine Freund*innen aus der Türkei, aus Afghanistan oder Syrien verstummen bei solchen Erzählungen eher und regen sich im Nachhinein mit ähnlichen Problemen auf. Ich schätze, ihnen geht es so ähnlich wie mir. Sie machen sich Gedanken über das Geschehene, über das Gesagte. Sind wir zu sensibel? Wir Ausländer?

 

Kategorisieren wir uns selbst oder werden wir in eine Schublade gesteckt?

Diese Frage stelle ich mir nur zu oft. Obwohl die Antwort eigentlich auf der Hand liegt. Mein Bauchgefühl, Studien und unendlich viele Erfahrungsberichte anderer sagen mir, dass es einen Grund gibt, warum ich denke, wie ich denke. Warum ich mich wie ein Ausländer, eine potenzielle Gefahr, ein Außenseiter fühle. Ein solches Gefühl kann nicht nur deshalb auftreten, weil ich vermeintlich paranoid bin (nicht zu schweigen an dieser Stelle von der Verharmlosung einer psychischen Erkrankung, die mir zugesprochen wird)und das nur, weil ich mich aufgrund von rassistischen Diskriminierungen persönlich angegriffen fühle. Ich bezweifle, dass ich mir das alles einbilde. In einem Europa in dem die Grenzen während der sogenannten „Flüchtlingskrise“ (Wieso eigentlich Krise?!) willkürlich geöffnet und geschlossen werden, existiert eine Kategorisierung. Sie ist da. Sie unterscheidet zwischen denen, die dazu gehören sollen und denen, die nicht. Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) warb so auf ihren Wahlplakaten mit Parolen wie „Unser Deutschland, unsere Regeln“. Aber wem gehört hier Deutschland? Das hier versucht wird eine Hierarchie aufzustellen, ist sehr offensichtlich. Dabei ist es auch mein Deutschland. In diesem „unser“ gehöre ich dazu, ob es diesen Rassisten nun gefällt oder nicht.

 

Sehe ich so aus wie Tarzan?!

Aber es gibt auch eine versteckte Kategorisierung. Schon mal was von „Tarzandeutsch“ gehört? Als ich zum ersten mal in einem Artikel von Özlem Gezer über diesen Ausdruck stolperte, habe ich mich kaputt gelacht. Treffender hätte ich es nicht formulieren können. Tarzandeutsch spiegelt sich darin wieder, dass eine Person, die die deutsche Sprache eigentlich sehr gut beherrscht (normalerweise weiße Muttersprachler*innen), ihren Wortschatz und ihre Satzstellung so modifiziert, als ob sich das Gegenüber (z.B.nicht-weiße Muttersprachler*innen) auf dem Anfängerniveau eines A1 Deutschkurses befände. Dabei kommen dann solche Sätze raus:

 

„Ich nix haben sein Karte. Du musst gucki, gucki.“

 

Die Unterstellung, die Gesprächspartner*in würde die deutsche Sprache nicht fließend beherrschen nur weil er oder sie anders aussieht, schafft auch hier eine Hierarchie. Man behandelt das Gegenüber wie jemanden, der nicht dazugehört und dem man dementsprechend alles erklären müsse wie einem Kind. LAUT. UND. DEUTLICH. Leute, das schafft ganz schön verletzte Gefühle! Denn jene, die in dieser Situation schon waren, nehmen sehr wohl wahr, auf welcher abstufenden Art und Weise mit ihnen gesprochen wird. Welche Frage sollte man sich stellen, wenn man einem Menschen begegnet (mal davon abgesehen, woher er kommt)? Wir wissen nie, was die Geschichte unseres Gegenübers ist. Wir müssen nicht für dumm verkauft werden. Wir brauchen auch kein Mitleid. Vielmehr das richtige Maß an Respekt, das jedem Menschen entgegengebracht werden sollte – unabhängig von seinem Namen, seiner Hautfarbe, seiner vermeintlichen Herkunft. Oder umgekehrt auch unabhängig von seinem Tarzandeutsch.

 

Bild: © privat

 


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